Überlegungen zu meiner Malerei

Heinrich Marschner (1795-1861)

„Der Künstler braucht Distanz von sich und vom Objekt, um Nähe zu erzeugen; und Nähe zu sich und zum Objekt, um wiederum Distanz und Abstand zu erzeugen. Das kann er durch innere Einstellung, durch Gefühle oder rein formell durch Licht, Komposition, Blickwinkel. Der Künstler schafft für den Betrachter eine Anpassung der Sichtweise und filtert durch ein Sieb die Informationen. Wie und wo das passiert, wollen wir praktisch sehen in Malerei und Philosophie.“

Die Auseinandersetzung mit der Farbe entwickelt sich erst einmal aus dem Halbbewussten und konstituiert sich in dem Moment des Schaffens. Am Anfang ist die Farbe, am Anfang ist der Zufall.

Der erste Farbauftrag dient als Grundierung und Inspiration zugleich. Oftmals sind es ‘Überbleibsel’ von vorher geschaffenen Bildern. Bestimmt werden die Bildflächen von der Farbe, die differenziert mal transparent, mal pastos, gelegentlich auch reliefartig aufgetragen wird. Die Malerei ist meist kraftvoll und intensiv.

“Papier, Leinwand, Spachtelmasse, Karton, Sand und Marmormehl schließen sich mit den Farben zu einem Mikrokosmos zusammen, dabei handelt es sich nicht um Materialbilder, keine Collagen im Sinne von Klebebildern, die durch Farbauftrag ergänzt werden. Alle Objekte werden stets dominiert von gespachtelten Partien, in die sie unlösbar eingebunden sind. Sie beherbergen Fundstücke, die nur vom Auge des aufmerksamen Betrachters entdeckt werden können.

Der gespachtelte Farbauftrag stellt sich oftmals als schroff und unmittelbar dar. Er will nichts beschönigen, sondern ungeschönt auf das Wesentliche aufmerksam machen. Diese Beimengungen und Überspachtelungen geben dem Bild etwas Prozesshaftes. Dickere und dünnere Schichten, breite oder zeichenhaft eingesetzte Farbbahnen bestimmen die Erscheinung der Dinge und des Grundes gleichermaßen. Voller Sensibilität sind die Arbeiten klar in der Form gewordenen Haltung und lebendig im Duktus. Die Form umschreibender Linien sind konzentrisch gesetzt, malerisches Kompositionsempfinden fördert die gestalterische Qualität. Es entwickelt sich ein komplexes System aus Farbe, Formen und Strukturen.

In den Bildern drückt sich eine formale und inhaltliche Freiheit aus, die jeder, der sich auf sie einlässt, zwingt Stellung zu beziehen. Ein unbedingtes Wohlgefallen werden die Werke nicht finden, sie bieten eine Diskussionsgrundlage, diese zu provozieren ist die Absicht.”

Angela Hartig, Künstlerin, Wissenschaftl. Mitarbeiterin an der Universität Vechta, Bereich Kulturelle Bildung, Lübeck

1999/2000 gelingt eine Stabilisierung des Malduktus und eine reiche Schaffensphase auf Kartonbildern im Format 70 x 50 cm beginnt.

Ende 2000 findet der Übergang zu größeren Formaten auf Leinwand mit neuem Mut zu einem dynamischen Umgang mit der Farbe statt. Neben der abstrakten Malerei kehrt immer einmal wieder das Motiv des Blumenstilllebens, Tiere oder Figürliches auf. Dabei werden die Gegenstände einem starken Wechsel realistischer Darstellung einerseits und der abstrakten Auflösung andererseits unterworfen.

Im Jahr 2003 hat das Thema Quadrat einen besonderen Stellenwert. Es entsteht eine Bildfolge von 99 Arbeiten auf Papier 30 x 30 cm. Dabei steht der spielerische und experimentelle Umgang mit dem Quadrat nicht nur als Format, sondern als formgebendes Bildthema im Vordergrund.

2004 entstand eine weitere Serie im Format 45 x 45 cm. In dieser Folge hat das Thema Schrift eine besondere Bedeutung.

Ende 2007 fand „das Quadrat“ einen vorläufigen Abschluss in der 12- teiligen Kalenderblattserie ‘Kalendarium’.

Die weitgehend ungegenständlichen Arbeiten bekommen zunehmend einen Titel. Einige Titel entwickeln sich bereits in der Entstehungsphase, andere in der Abschlussphase, wenn die Arbeiten im Atelier hängen und immer wieder überprüft werden, ob sie fertig sind oder einer Überarbeitung bedürfen.

Oftmals hilft ein Titel dem Betrachter seine eigene Fantasie mit ins Spiel zu bringen. Er gibt eine Richtung oder einen Hinweis, ist aber bewusst auch sehr freilassend. Es ist in meinem Interesse, wenn der Betrachter inspiriert wird seinen eigenen Titel zu finden/ergründen.

Experimentieren, ausprobieren, verwerfen oder weiterentwickeln sind künstlerische Schaffensprozesse, die ein intensives Ringen erfordern. Die Handschrift ist festgelegt, neue Impulse werden umgesetzt. Seit einigen Jahren kann ich beobachten, dass mein Weg ,zurück zur Farbe‘ lautet, erst in kleinen Quadraten 40 x 40 cm, seit 2019 wachsen die Arbeiten wieder und sind jetzt in großen Arbeiten (Diptycha), von 110 x 220 cm zu sehen. Die zusammengesetzten Arbeiten (Diptycha, Triptycha…) haben ihren besonderen Reiz. Als weiteres Gestaltungselement bekommt das ‘Laufenlassen von Farbe’ einen neuen Stellenwert. Die Farbigkeit ist intensiv und kontrastreich.

‘Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar’, eine Aussage von Paul Klee begleitet mich schon viele Jahre.

 

 

Stand: August 2019